„Greife nie ins fallende Messer“ heißt eine der bekanntesten Börsenweisheiten. Sie impliziert, dass Aktien in der Regel nicht ohne Grund fallen und dass ein hoher Kursverfall an sich keine Garantie oder auch nur erhöhte Wahrscheinlichkeit für wieder steigende Notierungen bedeutet. Ganz im Gegenteil: Solange der Abwärtstrend intakt ist, überwiegt die Wahrscheinlichkeit für weitere Kursverluste. Doch wir haben es trotzdem getan und diese Woche die Aktie des Bau- und Dienstleistungskonzerns Bilfinger SE in unsere Nebenwerte-Empfehlungsliste aufgenommen.
Damit haben wir auf den neuerlichen Abwärtsschub reagiert, der durch die Vorlage der Neunmonatszahlen ausgelöst wurde. Darin musste das Unternehmen zum vierten Mal in Folge seine Prognosen reduzieren und einräumen, dass das laufende Geschäftsjahr nun doch mit einem negativen Jahresergebnis abgeschlossen wird. Das Management begründet dies vor allem mit Abschreibungen auf den Geschäftsbereich Kraftwerksbau, der nicht zuletzt in Folge der deutschen Energiewende nicht so läuft wie bisher erhofft. Nach Unternehmensangaben müsse der Bereich grundsätzlich neu bewertet werden, was auch für Teile des Industriesegments gelte.
Die schwache Entwicklung des Kraftwerksgeschäfts machte sich im dritten Quartal auch operativ bemerkbar, mit einem Umsatzrückgang um 11 % und einem Auftragsrückgang um 41 %. Damit trug die Sparte entscheidend dazu bei, dass der Gesamtumsatz trotz der dynamischen Entwicklung des Geschäfts „Building and Facility“ (+15 %) in den ersten neun Monaten lediglich stagnierte. Der Auftragseingang auf Konzernebene hat sich in den ersten drei Quartalen im Vorjahresvergleich um 9 % reduziert, wobei der Rückgang zwischen Juli und September noch an Tempo gewonnen hat (-14 %). Dies ist allerdings vor allem dem Einbruch im Kraftwerksgeschäft geschuldet, im Industriesegment konnte der Rückstand zum Vorjahr im dritten Quartal etwas reduziert und das Wachstum bei „Building and Facility“ sogar deutlich beschleunigt werden (Auftragseingang +11 %).
Die schwache operative Entwicklung in zwei von drei Segmenten hat sich auch im Ergebnis niedergeschlagen, durch den EBIT-Verlust im dritten Quartal (-173 Mio. Euro) ist das Neunmonatsergebnis ebenfalls ins Minus gerutscht, mit -114 Mio. Euro. Auch unter dem Strich brachte das dritte Quartal einen Fehlbetrag von 180 Mio. Euro, nach neun Monaten steht nun ein Nettoverlust von 125 Mio. Euro in den Büchern.
Dass das Ergebnis ins Minus gerutscht ist, führt Bilfinger auf Einmaleffekte und hier vor allem auf die Abschreibungen auf die Kraftwerkssparte sowie auf eine Produktionsstätte in Polen zurück. In Summe dürften sich diese Effekte im Gesamtjahr auf rund 230 Mio. Euro belaufen, bereinigt um diese Belastungen will der Konzern das Jahr mit einem operativen Überschuss von 270 Mio. Euro (adjusted EBITDA) abschließen. Wir vermuten hinter den hohen Abschreibungen allerdings eine gehörige Portion des „Neue Besen“-Effekts, dass also eine neue Unternehmensleitung in dem ersten von ihr verantworteten Abschluss bewusst möglichst viele „Altlasten“ des Vorgängers aufarbeitet, um anschließend eine bessere Performance vorweisen zu können.
Eine solche Konstellation könnte bei Bilfinger vorliegen, nachdem…
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