Weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit zeichnet sich in den letzten Wochen an den Kapitalmärkten eine fundamentale Trendwende ab: Die Ära der Minizinsen geht zu Ende. Während im Führungsgremium der US-Notenbank noch gestritten wird, wann und wie das Staatsanleihenkaufprogramm beendet werden soll, schaffen die Anleger an den Märkten Fakten. Einige Analysten argwöhnen bereits, die stark gestiegenen Zinsen für Anleihen könnten den Aktienmarkt belasten. Doch das Gegenteil ist zunächst einmal der Fall.
Aus dem Veröffentlichungsprotokoll der letzten FED-Sitzung lässt sich ablesen, dass sich der Führungszirkel der US-Notenbank noch nicht einig ist, wann und wie das Kaufprogramm von Staatsanleihen, mit dem die Konjunktur stimuliert wird, zurückgefahren werden soll. Trotz einer soliden Dynamik und deutlicher Verbesserungen am Arbeitsmarkt wirkt die Wirtschaft der Vereinigten Staaten nach wie vor fragil, vor allem wegen der intensivierten Sparbemühungen auf staatlicher Seite. Trotzdem kann man aus den Verlautbarungen der letzten Monate einwandfrei ablesen, dass die FED das Quantitative-Easing-Programm definitiv in absehbarer Zeit zurückfahren wird. Diese Erkenntnis hat sich auch am Markt durchgesetzt und zu einer entsprechenden Reaktion geführt. Die Rendite auf 10-jährige US-Staatsanleihen ist seit Anfang Mai von etwas mehr als 1,5 % auf fast 3,0 % angestiegen. Damit dürfte die Zinswende vollzogen sein.
Obwohl die FED nur in den US-Markt eingegriffen hat, sind die Auswirkungen des Paradigmenwechsels auch hierzulande zu spüren. Die deutsche Umlaufrendite ist im August auf ein neues Zwölf-Monats-Hoch bei 1,55 % gestiegen. Die im Mai 2012 gestartete Bodenbildung in der Region zwischen 0,9 und 1,4 % scheint damit abgeschlossen. Das hat auf jeden Fall weitreichende Auswirkungen auf den Aktienmarkt – die Kernfrage ist nur, ob diese negativer oder positiver Natur sind.
Höhere Zinsen machen Anleihen prinzipiell attraktiver, daher könnte Kapital aus Aktien in den Rentenmarkt abfließen – so lautet eine gern zitierte Binsenweisheit, die in der Form aber zu pauschal ist. Denn entscheidender scheint vielmehr, in welchem Stadium sich die beiden Sektoren bewegen. Zunächst einmal muss konstatiert werden, dass in den letzten Jahren enorme Summen in den Anleihensektor geflossen sind, was die Zinsen erst auf historische Tiefstände hat absinken lassen (höhere Nachfrage = steigende Anleihenkurse = sinkende effektive Zinsen).
Nun dreht sich der Prozess gerade um: Die Zinsen steigen, weil wieder Kapital aus dem Anleihenmarkt abfließt und stattdessen in Aktien investiert wird. Nicht umsonst hat der Dax gerade Anfang Mai einen neuen Höhenflug gestartet, während die Zinsen stark angestiegen sind. Das immer noch niedrige Zinsniveau verdeutlicht aber, dass dieser Trend erst noch am Anfang steht, d.h., es könnte noch viel Kapital aus Rentenpapieren in den Aktiemarkt fließen. Nach unserem Eindruck könnte es sich bei den Minizinsen der letzten anderthalb Jahre sogar um eine Blase handeln, was auf eine lange Baisse der Rentenpapiere hindeutet. Der Hauptprofiteur wären sicherlich die Aktien, denn nur dieser Markt kann so hohe Summen aufnehmen. Zumal zahlreiche Rohstoffe (etwa Gold, Silber und Kupfer), als ebenfalls börsengehandelte Anlagealternative, in den letzten zwei Jahren ihre langfristigen Aufwärtstrends gebrochen haben und damit vor einer ungewissen Zukunft stehen. Anleihen werden erst dann wieder wirklich attraktiv, wenn die Zinsen bereits stark gestiegen sind und sich dann der Prozess wieder umkehrt – raus aus Aktien, rein in Renten –, dieses Szenario sehen wir aber frühestens ab…
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