Die noch weitgehend unbekannte Pyrolyx AG generiert fast keine Umsätze, kommt aber bereits auf einen Börsenwert von mehr als 50 Mio. Euro. Trotzdem läuft zurzeit eine große Kapitalerhöhung zu einem Kurs, der deutlich über der aktuellen Notiz liegt. Anlass genug, den Wert genauer unter die Lupe zu nehmen.
Pyrolyx hat sich einem drängenden Problem verschrieben, dem Recycling von Autoreifen. Die in Reifen gebundenen Rohstoffe konnten bislang nur unzureichend zurückgewonnen werden. Aufbauend auf der jahrelangen Grundlagenforschung des Technikvorstands Fikret Dülger hat das Unternehmen nun ein industrielles Verfahren entwickelt, um aus dem Altmaterial hochwertigen Industrieruß, englisch Carbon Black, herzustellen. Dieses Produkt kann für die Produktion neuer Reifen verwendet werden, ist zugleich aber auch als Rohstoff für andere Gummi- oder Kunststoffe geeignet. Als Nebenprodukte des industriellen Prozesses fallen Pyrolyseöl und -gas an, die ebenfalls verwertet werden können. Aus der mehrheitlichen Übernahme der cct Stegelitz GmbH im Jahr 2015 verfügt die Gesellschaft bereits über eine Fertigungsstätte, die aber noch auf der diskontinuierlichen Batch-Technologie von cct basiert. Mit dem selbst entwickelten Verfahren strebt Pyrolyx letztlich eine hochautomatisierte, kontinuierliche Produktion an. Als Technologiepartner für den Anlagenbau fungiert Zeppelin Systems.
Pyrolyx adressiert mit der Innovation einen riesigen Markt. Nach Unternehmensangaben summiert sich die Altreifenmenge allein in den USA und Europa auf mehr als 7 Mio. Tonnen pro Jahr, die zu einem großen Teil thermisch verwertet oder aber in minderwertige Erzeugnisse (Granulat, Gummimehl) umgewandelt werden. Zugleich steigt der Bedarf für Carbon Black aktuell mit über 3 % pro Jahr, der Weltmarkt liegt bei mehr als 13 Mio. Tonnen. Die Herstellung erfolgt in erster Linie durch eine gezielte Verbrennung von Öl. Rund 90 Prozent des Carbon Black werden von der Gummiindustrie genutzt, wobei die Herstellung in der Regel an die spezifischen Bedürfnisse der Kunden angepasst wird.
Und hier liegt der entscheidende Knackpunkt. Die Reifenindustrie hat sehr hohe Sicherheitsstandards, es sind zahlreiche Tests und eine lange Vorlaufzeit notwendig, bis ein neuer Rohstoff Eingang in die Produktion findet. Im Februar 2016 hat das Unternehmen eine Entwicklungspartnerschaft mit einem Top-5-Reifenhersteller gestartet. Mit weiteren Anbietern haben bereits Materialtests stattgefunden, die zur Fertigung von Prototypen für erste Feldtests führten.
Das „recovered“ Carbon Black von Pyrolyx bietet den Anbietern die Chance, die steigenden Umweltanforderungen, die auch im Segment der Industrieruße spürbar sind, zu erfüllen. Zugleich muss der Einsatz aber auch wirtschaftlich sein. Und das hängt stark vom Ölpreis ab, der bislang eine hohe Korrelation zum Preis von Carbon Black aufweist. Der Absturz der Ölnotierung von 2014 bis Anfang 2016 hat Pyrolyx in den Vermarktungsbemühungen daher zurückgeworfen. Ohnehin konnte das Unternehmen bislang kaum Erlöse generieren, im ersten Halbjahr 2016 belief sich der Umsatz auf 135,6 Tsd. Euro, bei einem Ergebnis von -4 Mio. Euro. Die Prognose, wann sich dieses Bild grundlegend ändert, ist aktuell schwierig (weshalb wir in diesem Artikel auch auf die übliche Kennzahlentabelle verzichten).
Dennoch sind die wichtigsten Kapitalgeber, zu denen u.a. zwei australische Milliardäre und die Familie von Roland Berger zählen, offensichtlich weiter von dem Potenzial des Unternehmens überzeugt. Bei der großen…
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