Neben den Automobil- und Bankaktien ist ProSiebenSat.1 schon seit einiger Zeit so etwas wie der Prügelknabe unter den deutschen Blue Chips. In den letzten zwei Jahren hat das Papier per Saldo rund 40 % seines Wertes eingebüßt, obwohl das Medienhaus seinen Umsatz und Gewinn weiter steigern konnte. Skeptisch sieht die Börse vor allem, ob die Münchener den mutmaßlichen Bedeutungsverlust des klassischen TV-Geschäfts kompensieren können. Auf dem aktuellen Bewertungsniveau erscheinen uns diese Sorgen aber überbetont.
Denn während die meisten Auguren vor allem auf die monatlichen TV-Quoten und Werbebuchungen starren, macht das Unternehmen merkliche Fortschritte, seine Abhängigkeit vom Fernsehmarkt zu verringern. Zwar bilden die Werbeeinnahmen aus den diversen TV-Sendern immer noch die größte Erlössäule, in 2017 hat der Konzern aber mit 51 % Umsatzanteil erstmals mehr aus anderen Quellen eingenommen – nachdem es vor drei Jahren noch 34 % waren. Zu Wachstumstreibern mausern sich dabei immer mehr die Onlinesparten des Medienhauses. So macht das Geschäftsfeld „Digital Entertainment“, in dem insbesondere die hauseigenen Werbeagenturen für Websites und Videos zusammengefasst werden, inzwischen 11 % der Gruppenerlöse aus. Filetstück ist aber eindeutig das Commerce-Geschäft, das mit erfolgreichen Onlineportalen wie Verivox, Parship oder Flaconi bereits knapp ein Viertel der Konzernerlöse einspielt.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr konnte die Commerce-Sparte mit einer Erlössteigerung um 30 % so stark wachsen, dass sie zusammen mit dem Agenturgeschäft (+5 %) eine zwischenzeitliche Delle im TV-Segment mehr als ausmerzen konnte. So musste ProSiebenSat.1 zwar wegen schwächelnder Werbebuchungen im zweiten und dritten Quartal seine Prognosen unterjährig zurücknehmen. Zum Jahresende stand aber dennoch ein konzernweiter Umsatzzuwachs von 7 % auf 4,08 Mrd. Euro zu Buche, was nicht nur den fünften Bestwert in Folge, sondern auch ein Erlösplus von über 70 % seit 2012 bedeutet. Der bereinigte Nettogewinn kam aufgrund einer leicht gesunkenen operativen Marge (von immer noch klotzigen 25 %) etwas geringer um 3 % auf 550 Mio. Euro voran, aber auch hier summiert sich die Steigerung auf 60 % in den letzten fünf Jahren.
Bleibt natürlich die Frage, ob dieser Trend auch in Zukunft anhält, immerhin schicken sich Internetriesen wie Netflix und Amazon an, dem klassischen „linearen“ Fernsehen mit On-Demand-Diensten (VoD) und exklusiven Serien Zuschauer und damit Werbereichweite streitig zu machen. So scharf, wie nach der Gewinnwarnung der Münchener von manchen befürchtet, stellt sich die Verdrängung bislang allerdings nicht dar. In den letzten beiden Jahren ist die Nutzung von VoD-Diensten zwar – von niedrigem Niveau aus – merklich gestiegen, auf das klassische TV entfallen aber immer noch praktisch konstante 85 % des täglichen Fernsehkonsums. Die zwischenzeitliche Delle im Werbemarkt lag eher an Sonderfaktoren wie rückläufiger Autowerbung infolge des Dieselskandals. Schon im vierten Quartal haben sich die Budgets wieder deutlich erholt, und für 2018 wird sogar mit einem höheren Wachstum gerechnet (Quelle: OWM).
Wir gehen daher auf absehbare Zeit von einem weitgehend stabilen TV-Werbemarkt aus, der ProSiebenSat.1 als deutschem Marktführer eine solide Umsatzbasis bieten kann. Dafür muss…
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