Die Börsianer wirken derzeit etwas unschlüssig. Nach zwei dynamischen Haussejahren pendelt der Dax in der aktuellen Periode in einer breiten Range auf- und abwärts, ohne eine wegweisende Richtungsentscheidung treffen zu können. Die Krise in der Ukraine zerrt an den Nerven, aber noch bedeutender sind die Sorgen im Hinblick auf eine mögliche deflationäre Entwicklung.
Seit Mitte letzten Jahres bewegt sich die Inflation in den USA bereits auf einem sehr niedrigen Niveau zwischen 1,0 und 1,6 %. Zum Vergleich: Mitte des letzten Jahrzehnts waren noch Raten zwischen 3 und 6 % an der Tagesordnung. Prinzipiell ist eine niedrige Preissteigerungsrate bei einem ordentlichen Wirtschaftswachstum für die Börse positiv, ja sogar die „beste aller Welten“. Allerdings darf die Inflation nicht weiter abrutschen in Richtung sinkender Preise. Genau dieses Szenario spukt allerdings in den Köpfen herum, da die Zentralbank in den USA sukzessive die Geldpolitik strafft (im Moment durch eine Rückführung der monatlichen Anleihenkäufe) und im nächsten Jahr sogar den Zins erhöhen könnte. Die einfache Rechnung der Anleger lautet dabei: Wenn schon die ultralockere Geldpolitik mit sehr niedrigen Inflationsraten einherging, könnte die Straffung den Fall in die Deflation verursachen.
Allerdings gilt die FED als außerordentlich Deflations-avers, so dass sie im Zweifelsfall sicherlich schnell umsteuern würde. Schon aufgrund ihrer Konstruktion (als Vielstaaten-Zentralbank) und dem hohen Einfluss der geldpolitischen Falken von der Bundesbank ist die Lage in Europa anders gelagert. Die EZB gilt als träger und im Zweifelsfall eher rigider, dabei scheint die Eurozone im Hinblick auf eine Deflation gefährdeter. Im März ist die Preissteigerung auf nur noch 0,5 % gefallen, die geringste Steigerungsrate seit der Wirtschaftskrise 2009. Weil die Dynamik der Konjunkturerholung auf dem Kontinent zuletzt etwas ins Stocken geraten ist, scheinen fallende Preise durchaus im Bereich des Möglichen. Da die Zinssenkungsspielräume der EZB bereits fast vollständig ausgereizt sind, soll die Zentralbank im stillen Kämmerlein bereits an einem Wertpapierkaufprogramm à la FED feilen. Die Bundesbank dürfte dagegen erneut opponieren, hat aber unter Draghi an Einfluss verloren.
Dennoch: Mit der Deflationsgefahr wurden die Anleger, die zur Jahreswende noch mehrheitlich von einer deutlichen konjunkturellen Erholung geträumt haben, auf dem falschen Fuß erwischt. In ihren Jahresausblicken waren die Analysten zum Aktienmarktpotenzial in 2014 durchaus unterschiedlicher Meinung (wobei es kaum Bären gab), unisono wurde aber mit einem Zinsanstieg in der aktuellen Periode gerechnet. Wie so oft kam es an der Börse anders, als die Masse gedacht hat: Die Umlaufrendite in Deutschland ist von rund 1,6 % zum Ende des letzten Jahres auf zuletzt nur noch 1,26 % abgesackt. Das ist schon ein gewichtiges Indiz für die Deflationsgefahr, auch wenn der jüngste Rückgang der Inflation maßgeblich durch die volatilen Energiepreise verursacht wurde.
Noch sehen wir trotzdem keine signifikante Gefahr für den Aktienmarkt. Die EZB hat noch…
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