Der volkswirtschaftliche Mainstream sieht nur geringe Erholungschancen für die Wirtschaft im Euroraum, eine Vielzahl von Analysten prognostiziert sogar einen anhaltenden Niedergang. Schuld daran sei die verfehlte Rettungspolitik unter der Führung von Merkel, die die Wirtschaft in Europa „kaputtspare“. Damit wird allerdings ein wesentlicher Faktor außer Acht gelassen, der in den nächsten zwölf Monaten für eine Überraschung sorgen könnte – was dem Dax mittelfristig weiteres Aufwärtspotenzial eröffnet.
Der Staat ist zweifelsohne ein dominanter Wirtschaftsakteur, ein großer Teil des BIPs geht direkt durch seine Hände oder wird indirekt von ihm bewegt. Bei drohenden Rezessionen wird daher dieser mächtige Spieler gern um Hilfe gerufen – und die Politiker haben den Wunsch in der Vergangenheit mit einer expansiven Fiskalpolitik ein ums andere Mal gerne erfüllt. Nur wurde in konjunkturell besseren Zeiten von den Regierungen regelmäßig „vergessen“, die Ausgabenpolitik zurückzufahren. Das hat im Zeitablauf zur Anhäufung gigantischer Schuldenberge geführt.
Merkel versucht mit ihrem Kurs nun, die gefährliche Spirale in Europa mit einem Sparkurs zu durchbrechen. Die restriktivere Fiskalpolitik hat damit zweifelsohne in weiten Teilen des Euroraums die Rezession verursacht. Nur hat die Vergangenheit ja auch gezeigt, dass eine expansive Variante die Staatsschulden trotzdem im Zeitablauf explodieren lässt. Langfristig Erfolg haben kann der Politikansatz von Merkel nur, wenn die Wirtschaft trotz der Sparpolitik zurück auf den Wachstumspfad findet. Skeptiker bezweifeln, dass das möglich ist.
Allerdings stellt sich die Frage, ob damit die mikroökonomischen Anpassungsprozesse, die in einer Rezession stattfinden, nicht unterschätzt werden. Schließlich wollen (im Regelfall) alle Menschen künftig besser leben und alle Unternehmen wachsen, weswegen sie auch unter schwierigen Rahmenbedingungen nach Wegen suchen, das zu realisieren. Das geht nicht ad-hoc, sondern braucht Zeit – was gesamtwirtschaftlich die Rezessionsphase darstellt. Aber früher oder später werden doch zumeist Strategien gefunden, sich individuell zu verbessern, was sich letztlich auch auf kollektiver Ebene auszahlt.
Die entscheidende Frage für den Dax ist nun, ob die Wirtschaft in Europa dieses Stadium bereits erreicht hat. Die Entwicklung der Einkaufsmanagerindizes, die als recht zuverlässige Frühindikatoren der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gelten, legt dies zumindest nahe. Der Einkaufsmanagerindex für den Euroraum befindet sich nun seit rund zwei Jahren im Rezessionsmodus (Wert unter 50), eine ausreichend lange Zeit für mikroökonomische Anpassungen. Seine Talsohle hat er aber vermutlich bereits im Sommer letzten Jahres durchschritten, seitdem bessert sich die Situation graduell. Im letzten Monat hat er sich nun sogar relativ kräftig um 1,6 Punkte (auf 48,3 Punkte) erholt und damit der Expansionsschwelle von 50 Punkten angenähert.
Die Eurozone hat damit eventuell das Schlimmste hinter sich, allerdings gibt es ein großes Restrisiko. Denn ausgerechnet die USA und China, die mit ihrer höheren Dynamik zur Stabilisierung Europas beigetragen haben, zeigen nun Schwächesignale. Die Vereinigten Staaten haben im laufenden Jahr…
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