Die Zweifel an der fundamentalen Substanz der aktuellen Hausse sind angesichts der schwachen Wirtschaftsentwicklung in Europa nach wie vor groß. Unbeirrt davon eilt der DAX von Allzeithoch zu Allzeithoch und sendet damit unter charttechnischen Gesichtspunkten ein bullishes Signal. Auch die aktuelle Lage der Wirtschaft ist nicht so negativ zu werten, wie sie vielerorts beschrieben wird.
Die weit verbreitete Meinung, dass die Aktienkurse nur steigen können, wenn die Wirtschaft richtig brummt, ist so nicht richtig (siehe dazu auch das Vorwort). Im Gegenteil, wenn die Konjunktur ihren Siedepunkt erreicht, haben die Börsenkurse ihr Zenit in der Regel schon überschritten. Wenn die Wirtschaft – von noch niedrigem Niveau aus – langsam Fahrt aufnimmt, ist das hingegen eine gute Zeit für Investments. Wie der IFO-Index verdeutlicht, könnte genau diese Phase bald anstehen. Der wichtigste Frühindikator der deutschen Wirtschaft hatte von Mitte 2011 bis Mitte 2012 einen deutlichen Rückgang der Konjunkturdynamik in Deutschland angekündigt, mittlerweile scheint der Abwärtstrend aber eindeutig gestoppt. Jetzt fehlt eigentlich nur noch, dass die Erwartungskomponente den Wert zur aktuellen Lage übersteigt, das wäre der Beleg für eine Trendwende.
Schon die jüngste Entwicklung ist aber ein positives Signal, auch für Europa insgesamt. Die Sparbemühungen in zahlreichen Staaten könnten dabei sogar für ein Szenario sorgen, das in den 1990er-Jahren einmal als „beste aller Welten“ für Aktionäre bezeichnet wurde: Die Wirtschaft hat zwar einerseits die Talsohle durchschritten und könnte auf dieser Basis – auch europaweit – spätestens 2014 moderat zulegen. Die zurückhaltende Fiskalpolitik sorgt aber andererseits dafür, dass trotz Minizinsen die Konjunktur nicht heißläuft und daher kein größeres Inflationsproblem auftritt. Das wäre die Mischung für einen lang anhaltenden Aufschwung, auch an der Börse.
Eine wichtige Zutat für eine Hausse ist dabei auch, dass die Anleger in der Breite noch nicht zu optimistisch gestimmt sind, denn dann sind in der Regel alle Investitionswilligen bereits eingestiegen und es fehlt auf dem bestehenden Kursniveau an Nachkäufern. Diese Gefahr besteht für den Dax im Moment offenbar noch nicht, wie der Bull/Bear-Index von Cognitrend verdeutlicht. Obwohl der deutsche Aktienindex zuletzt sehr dynamisch auf ein neues Allzeithoch gestiegen ist, sind im Moment die Bären leicht in der Überzahl. Etwas anders sieht die Situation in den USA aus, dort hat sich der Anteil der Bullen in der Erhebung der American Association of Individual Investors zwischenzeitlich der kritischen 50-Prozent-Marke genähert (in dieser Woche aber wieder deutlich abgenommen).
Zumindest in den USA könnten die Leitindizes in den Sommermonaten daher möglicherweise eine Verschnaufpause einlegen. Der Dax hat unter Sentimentgesichtspunkten hingegen noch mehr Potenzial, wobei wegen der hohen Kursgewinne in der jüngsten Zeit – innerhalb eines Monats hat der deutsche Leitindex um 6 % zugelegt – auch hierzulande früher oder später eine Konsolidierung ansteht. Sorgen um die Hausse muss man sich aber…
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