Während Ägypten in den letzten Tagen von einer Wiederkehr der Gewalt erschüttert wurde und auf seinem Weg in die Demokratie kaum Fortschritte macht, liefert Tunesien, das Land, in dem der Arabische Frühling seinen Ausgang nahm, deutlich erfreulichere Schlagzeilen. Nach neusten Pressemeldungen steht die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit kurz bevor, die das Land bis zu Verabschiedung der neuen Verfassung und bis zu den auf deren Grundlage geplanten Neuwahlen führen soll.
Bemerkenswert ist dabei die Rolle der islamistischen Ennahdha-Partei, die aus den allgemein als fair und frei bewerteten Wahlen im Oktober als die mit Abstand stärkste Kraft hervorgegangen ist. Entgegen vielen Befürchtungen haben sich die Beteuerungen der Ennahdha-Führung, kein strengislamistisches Gesellschaftsmodell durchsetzen zu wollen und die demokratischen Spielregeln ebenso zu respektieren wie Frauen- und Minderheitenrechte bisher nicht als Wahlkampftaktik erwiesen. Die Parteilführung zeigt sich weiterhin bemüht um die Einbindung aller relevanten Gruppierungen innerhalb der neuen verfassungsgebenden Versammlung und ist Presseberichten zufolge auch bereit, zentrale Regierungs- und Verwaltungspositionen mit Vertretern anderer Parteien zu besetzen. So wird spekuliert, dass der Posten des Übergangspräsidenten an den Führer der Mitte-Links-Partei „Kongress für die Republik“ (CPR), den Medizinprofessor Moncef Marzouki, gehen und dass der Chef der sozialdemokratischen Partei Ettakatolzum zum Sprecher der verfassungsgebenden Versammlung gewählt werden soll. Gleichzeit sollen der bisherige Verteidigungsminister sowie der Zentralbankchef, die sich durch ihr Verhalten im bisherigen Transformationsprozess hohes Ansehen erworben haben, ihre Positionen behalten. Von den zu vergebenden Spitzenpositionen würde Ennahdha demnach nur den Posten des Ministerpräsidenten für sich beanspruchen, für den derzeit der Generalsekretär der Partei, Hamadi Jbeli, gehandelt wird. Sollten sich diese Gerüchte bestätigen, würde Tunesien für die Übergangszeit bis zur Verabschiedung der neuen Verfassung von einer Regierung geführt werden, die sich auf eine sehr breite, demokratisch legitimierte Mehrheit stützen könnte. Eine wichtige Voraussetzung, um den Transformationsprozess zu einem Erfolg zu führen.
(November 2011)
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