Die türkische Regierung sieht ihr Land als Wachstumsstar Europas, das als Einziges mit den asiatischen Boomökonomien mithalten kann. In der Tat koppelt sich die Wirtschaft am Bosporus derzeit von dem Abschwung auf dem europäischen Kontinent ab, aber das ist nur eine Seite der Medaille.
Die Wachstumsrate der türkischen Wirtschaft von 8,2 Prozent im dritten Quartal wurde unter den weltgrößten Volkswirtschaften nur von China übertroffen. Die Zahl belegt zwar eindrucksvoll die hohe Dynamik am Bosporus, ist aber auch ein Resultat einer ausschließlich auf Wachstum fixierten Fiskal- und Geldpolitik. Die Zentralbank hat noch im August – zur Verwunderung der versammelten Analystenschar – den Leitzins um 50 Basispunkte auf 5,75 Prozent gesenkt. Das könnte sich nun rächen, denn nicht nur die BIP-Steigerungsrate bewegt sich auf hohem Niveau, auch die Inflation hat im November mit 9,5 Prozent ein neues Jahreshoch erklommen. Und die hohe Nachfrage kann nicht durch inländische Produktion gedeckt werden, in den letzten zwölf Monaten summierte sich das Leistungsbilanzdefizit bereits auf rund 10 Prozent des BIP. Damit nehmen die Ungleichgewichte in der Ökonomie zu und erhöhten die Wahrscheinlichkeit eines abrupten Anpassungsprozesses. Das wiederum erklärt, warum der Aktienindex ISE 30 trotz der boomenden Wirtschaft nicht vorwärts kommt.
(Dezember 2011)
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