Für seine hohen Wachstumsraten und die wirtschaftliche Robustheit trotz der Krise in Westeuropa wird die Türkei derzeit von vielen bewundert und gilt als Blaupause für den Aufbau moderater islamischer Demokratien in Nordafrika. Doch das Erfolgsmodell zeigt erste Risse.
Zuletzt hat sich das Wachstum der Industrieproduktion wieder auf beachtliche 12 Prozent erhöht, wobei das verarbeitende Gewerbe mit 12,8 Prozent noch überdurchschnittlich zugelegt hat, während der Bergbau nur um 2,2 Prozent expandierte. Diese Entwicklung, die in drastischem Kontrast zur Eurozone steht, nötigt den EU-Politikern durchaus Respekt ab, sie könnte aber teuer erkauft sein. Denn die Türkei setzt gnadenlos auf Wachstum und könnte dabei die Balance verlieren. Angesichts einer BIP-Steigerungsrate von zuletzt 8,8 Prozent wirkt ein – zuletzt noch abgesenkter – Leitzins von 5,75 Prozent stark expansiv, was sich entsprechend in der Entwicklung der Inflation niederschlägt. Diese zeigt seit einigen Monaten wieder stark nach oben und kletterte im Oktober auf 7,7 Prozent. Spätestens bei zweistelligen Werten wie zuletzt 2008 dürfte bei den Zentralbankern die Alarmglocke schrillen und möglicherweise eine Vollbremsung notwendig werden. Diese würde die Attraktivität der Türkei als Modellstaat aber deutlich schmälern, und auch der Aktienindex ISE 30 müsste in diesem Szenario mit Sicherheit einen herben Dämpfer hinnehmen.
(November 2011)
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