Mit Hochspannung warteten die Anleger am Montag dieser Woche auf die angekündigte umfangreiche Stellungnahme des Zahlungsdienstleisters Wirecard zu den jüngsten Vorwürfen, die in der britischen Zeitung „Financial Times“ geäußert wurden. Schaut man auf den Markt, scheinen sich die Anleger zumindest vorerst mit den gegebenen Antworten zufrieden zu stellen.
Rückblickend scheint es wie ein Stück aus dem Tollhaus, wie es wohl nur an der Börse vorgeführt werden kann. Die Financial Times hatte mit Bezug auf einen Whistleblower dem Unternehmen vorgeworfen, Abrechnungs- und Bilanz-Betrügereien entweder nicht entdeckt oder nicht verfolgt zu haben. Dabei soll es um einen höheren einstelligen Millionenbetrag gegangen sein, über mehrere Jahre. Das Resultat dieser Anschuldigung: Wirecard verlor in der Spitze fast 7 Milliarden Euro Marktkapitalisierung. Was für Relationen!
Das Problem von Wirecard: Vorwürfe, die auf ein dubioses Geschäftsgebaren abzielten, gab es in der Vergangenheit schon mehrmals. Dass dem Unternehmen nie etwas nachgewiesen werden konnte und solche Angriffe in der Regel als Versuche der Kursmanipulation identifiziert wurden, vergessen die Börsianer leider immer wieder. Getreu dem Motto: Wo Rauch ist, muss auch irgendwann mal Feuer sein.
Allerdings zeigen die Fakten, die Wirecard nun präsentierte, dass man augenscheinlich erneut nur wieder Opfer falscher oder falsch verstandener Verdächtigungen geworden ist. So stimmt es zwar, dass in der Singerpurer Dependance ein Mitarbeiter gegen einen anderen Vorwürfe der Bilanzfälschung erhoben hatte. Nach bisherigem Kenntnisstand scheint es allerdings so zu sein, dass hier wohl eher persönliche Animositäten eine Rolle spielten. Sollte die Financial Times dem Whistleblower in dieser Frage auf den Leim gegangen sein, wäre dies nicht nur ein generelles Armutszeugnis, sondern der zuständige Journalist, der in der Wirecard-Thematik kein ganz unbeschriebenes Blatt ist, müsste sich wohl unangenehmen Fragen stellen.
Die Antwort von Wirecard ist durchaus vernünftig ausgefallen. Man hat dem Markt klar dargestellt, um welche Vorwürfe es geht, wie diese untersucht wurden und hat auch versprochen, die noch ausstehenden letzten Untersuchungsergebnisse der beauftragten Anwaltskanzlei in Singapur nach Fertigstellung zu veröffentlichen. Mehr kann das Unternehmen eigentlich nicht tun.
Die Frage ist, ob die Investoren dem Unternehmen und der Aktie mehr als die fällige deutliche Gegenbewegung zugestehen. Der entscheidende Aspekt dürfte wohl darin liegen, ob die neuerliche Affäre Einfluss auf das operative Geschäft nimmt. Bislang werden solche Vermutungen vom Unternehmen abgewiegelt. Passend dazu gab es gerade aktuell auch wieder eine neue Nachricht über die Integration von Alipay bei einem baltischen Retail-Kunden. Doch ob Wirecard das neue Störfeuer letztlich wieder problemlos wegsteckt, wird sich wohl erst in einigen Wochen, vielleicht Monaten zeigen.
Für die Aktie ist es charttechnisch nun wichtig gewesen, wieder über das Niveau von 125/130 Euro gekommen zu sein. Damit ist ein erster Erholungsansatz gemacht. Anleger, die noch investiert sind, sollten es bleiben. Da die Aktie angeschlagen ist – und die Bewertung immer noch sehr hoch – sind Nachkäufe auf dem aktuellen Niveau aber sehr spekulativ.
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