In Rekordgeschwindigkeit hat sich Deutschlands größter Fahrradhersteller MIFA (gemessen an der Stückzahl) von einem grundsoliden Unternehmen zu einem Pleitefall gewandelt. Die Gewinne der letzten Jahre haben sich nach der Aufdeckung von „Fehlbuchungen“ in Luft aufgelöst, der Vorstand ist weg und der Existenzkampf eröffnet. Für Anleger eröffnet der Absturz eine spekulative Anlagechance – allerdings nicht bei der Aktie.
Von 2010 bis 2012 hatte MIFA gemäß der veröffentlichten Geschäftsberichte ein EBIT zwischen 2,0 und 4,6 Mio. Euro erzielt. Nach neun Monaten 2013 standen 4,7 Mio. Euro in den Büchern, damit sollte sich die Strategie des Managements anfangen auszuzahlen. Nachdem der Fahrradhersteller mit der Massenproduktion für Supermarktketten wie Aldi oder Rewe groß geworden ist, wurde mit der Akquisition der Marken Grace und Steppenwolf der Sprung in das mittlere und obere Preissegment gewagt, insbesondere im Segment der boomenden Elektrofahrräder. Die industrialisierte Fertigung im Stammwerk Sangerhausen sollte zusammen mit zugkräftigen und etablierten Marken für einen Sprung in neue Dimensionen sorgen – auch unter Margengesichtspunkten.
Der Traum platzte am 20. März abrupt, als MIFA Fehlbuchungen ab dem 2. Quartal 2013 im Zuge der Einführung eines neuen Buchungssystems einräumte, die zu einem Jahresverlust von 15 Mio. Euro führen sollten. Nach der ersten Darstellung sollte seitdem das Vorratsvermögen falsch erfasst und infolgedessen auch der Materialaufwand zu niedrig ausgewiesen worden sein. Diese Version musste Mitte Mai korrigiert werden: Auch in den Vorjahren wurden Fehler gefunden, die in 2013 zu einem kumulierten Bilanzverlust von voraussichtlich 28 Mio. Euro führen werden. Immerhin lässt das Eigenkapital per 30. September 2013 in Höhe von 41,2 Mio. Euro dafür noch ausreichend Spielraum. Dennoch befindet sich MIFA in der Existenzkrise, Alleinvorstand Wicht ist ersetzt worden und das Unternehmen braucht dringend neues Kapital.
Denn erst im August letzten Jahres wurde eine Anleihe mit einem Volumen von 25 Mio. Euro platziert. Mit den jüngsten Ereignissen könnten nun Bedingungen verletzt werden, die möglicherweise eine Kündigung einzelner Gläubiger nach sich ziehen. Von den zugeflossenen Mitteln ist aber nichts mehr da, schon per Ende September letzten Jahres bezifferte das Unternehmen die Liquidität auf lediglich 2,3 Mio. Euro. Im Nachhinein wirkt die Cashflow-Rechnung natürlich verdächtig, denn MIFA musste das frische Kapital komplett nutzen, um Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (per saldo 13,1 Mio. Euro) und Darlehen (24,1 Mio. Euro Tilgung, 5,8 Mio. Euro neue Kreditaufnahme) zu begleichen. Offensichtlich diente die Anleihenemission weniger zur Finanzierung des Wachstums und Optimierung der Finanzierungsstruktur – so wurde sie verkauft –, sondern war aus der Not geboren.
Der neu installierte Vorstand muss daher nun schnell neue Geldquellen auftun. Erste Hilfe bekam er dabei Mitte April vom Landkreis, der das Betriebsgrundstück für 5,7 Mio. Euro erworben und zurückvermietet hat. Wegen der drohenden Anleihenkündigung ist MIFA damit aber nicht vom Eis, zumal das Unternehmen nach den jüngsten Erkenntnissen eingestehen musste, aktuell nicht profitabel zu arbeiten. Als möglicher Retter steht der indische Konzern Hero Cycles Ltd. bereit, mit dem Ex-Vorstand Wicht im letzten Jahr eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen hatte. Die Inder haben sich bereit erklärt, in zwei Schritten 15 Mio. Euro Eigenkapital zu investieren. Zusammen mit der Übernahme von Aktien eines Altaktionärs soll der Anteil so auf 47 % steigen.
Allerdings fordert Hero Cycles einen substanziellen Beitrag der Anleihengläubiger ein. Diese sollen auf 15 bis 20 Mio. Euro verzichten, das entspricht zwischen 60 und 80 % ihrer Investitionssumme. Ob sich die Gläubiger darauf einlassen, ist ungewiss. Immerhin verfügt MIFA über einen hocheffizienten Produktionsbetrieb, der nach einer Optimierung des Einkaufs und der Vorratshaltung durchaus respektable Margen erwirtschaften könnte. Vor diesem Hintergrund könnten die Anleihenbesitzer auf eine Insolvenz und eine Verwertung der Assets spekulieren. Dann könnte die Fabrik immer noch an Hero Cycles verkauft werden – und die Aktionäre würden vermutlich weitgehend leer ausgehen.
Die Aktie ist nach dem Bekanntwerden der Probleme von zuvor 6,59 Euro bis auf 1,12 Euro abgestürzt, nach der Einigung mit Hero Cycles folgte eine kräftige Erholung. Wir werten das aber noch nicht als Hinweis darauf, dass der Wert einen Boden gefunden hat. Vielmehr bleibt die Aktie hochspekulativ mit einem nicht zu vernachlässigenden Risiko eines Totalverlusts. Interessanter finden wir die Anleihe. Diese notiert nur noch ...
Bitte beachten Sie unseren Disclaimer zu möglichen Interessenskonflikten