Die rasante Inflation, die größte Geißel der vietnamesischen Wirtschaft, zeigt zuletzt deutliche Beruhigungssignale und weckt Hoffnungen auf eine Zinswende. Doch der Preis dafür ist ein deutlich zurückgehendes Wirtschaftswachstum, das die Notwendigkeit von Strukturreformen verdeutlicht.
Die Inflationsrate, die im November und Dezember bei 19,8 resp. 18,3 Prozent und im Gesamtjahr 2011 über der Marke von 20 gelegen hat, zeigt endlich eine abnehmende Dynamik. Im März wurde „nur noch“ ein Preisanstieg zum Vorjahr von 14,15 Prozent gemessen, die niedrigste Rate seit einem Jahr. Allein dieser Fortschritt hat die Phantasie der Anleger in Vietnam beflügelt, die ihre Erwartungen nun in Richtung rückläufiger Zinsen geändert haben. Diese Hoffnung wurde auch durch den Zentralbankchef gestützt, der für den Fall weiter zurückgehender Inflation die Absenkung des Leitzinsen von derzeit 13 Prozent um einen Prozentpunkt pro Quartal in Aussicht gestellt hat.
Die wichtigste Ursache der Erfolge gegen die Inflation ist die abnehmende Wachstumsdynamik. So wuchs die vietnamesische Wirtschaft im ersten Quartal nur noch um 4 Prozent zum Vorjahr, der niedrigste Wert seit einem Jahr. Verglichen mit den mehr als 8 Prozent, die Vietnam noch im Durchschnitt der Jahre vor der Finanzkrise erreichte, ist das weniger als die Hälfte. Doch angesichts des niedrigen Produktivitätsfortschritts, der hauptsächlich durch den hohen Anteil der ineffizienten Staatsunternehmen, die immer noch rund 40 Prozent des BIP erwirtschaften, behindert wird, scheint das die Größenordnung zu sein, die Vietnam ohne eine höhere Inflation verkraften kann. Unabhängige Analysten sehen dementsprechend das Potenzialwachstum Vietnams derzeit bei höchstens 5 Prozent. Höhere Expansion ohne begleitende produktivitätssteigende Maßnahmen dürfte auch wieder das Inflationsgespenst wecken.
(April 2012)
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