Mit gut 7 Mrd. Euro Börsenwert zählt die Hannover Rück sicher nicht mehr zu den klassischen „Small Caps“, wie wir sie an dieser Stelle meist besprechen. Dennoch weist der MDAX-Titel auch nach einem Kursanstieg von rd. 300 % in den letzten vier Jahren immer noch so günstige Bewertungsrelationen auf, dass wir Ihnen eine Analyse nicht vorenthalten wollen.
Die Hannover Rück zählt zu den größten Rückversicherungen der Welt. Gemessen am Prämienvolumen von 13,8 Mrd. Euro ist der Konzern die globale Nummer drei hinter dem Platzhirsch Münchner Rück und der Swiss Re. Über 5.000 Versicherungsgesellschaften in rd. 150 Ländern zählen die Niedersachsen zu ihren Kunden, wobei der regionale Schwerpunkt auf Nordamerika, Deutschland und Großbritannien liegt. Operativ gliedert sich das Geschäft zu etwa gleichen Teilen in die Schaden- und Personen-Rückversicherung. Bei den branchenrelevanten Rating-Agenturen S&P und A.M. Best genießen die Hannoveraner ein exzellentes Standing von AA- bzw. A+.
Das liegt nicht zuletzt an der strikten Zeichnungspolitik des Unternehmens, die rein ertragsorientiert und nicht an Volumensteigerungen ausgerichtet ist. Will sagen: Neuverträge in der Schadensversicherung werden nur eingegangen, wenn sich risikoadäquate Margen erzielen lassen. In ungünstigen Marktphasen wird im Zweifel auf Prämien- oder Marktanteilswachstum verzichtet. Wie ernst es das Management damit meint, zeigen etwa die Jahre 2003 bis 2007, in denen das Prämienvolumen der Gruppe per saldo um gut 20 % geschrumpft ist – während das EBIT um rd. 30 % zugelegt hat.
Danach ist das Unternehmen aber auch volumenmäßig wieder auf den Wachstumspfad zurückgekehrt. In den letzten fünf Jahren hat das Prämienaufkommen um gut zwei Drittel zugenommen und das EBIT hat sich annähernd verdoppelt. Und auch im laufenden Jahr hält dieser Trend an. Die Bruttoprämie erhöhte sich in den ersten sechs Monaten um weitere 4,9 % auf 7,2 Mrd. Euro, wobei im klassischen Geschäft der Schadenversicherung ein leichter Rückgang (-3,2 %) hingenommen wurde, der aber von einem kräftigen Anstieg im Personenbereich (+10,9 %) überkompensiert wurde. Da gleichzeitig die Schadenbelastung im kalkulierten Rahmen und das Kapitalanlageergebnis – trotz Niedrigzinsphase – auf einem soliden Niveau von 3,2 % blieben, kam das EBIT überproportional um 12,3 % auf 671 Mio. Euro voran.
Ganz so rosig, wie die Zahlen glauben machen, ist das Marktumfeld für die Hannoveraner aber nicht. Zwar sorgen Megatrends wie der demographische und technische Wandel sowie die dynamische Entwicklung in vielen Schwellenländern für einen stetig wachsenden Bedarf an Versicherungsleistungen. Dem steht allerdings auch eine wachsende Konkurrenz gegenüber. Schätzungen zufolge sind inzwischen rd. 110 Rückversicherer am Markt, die über 500 Mrd. US-Dollar an Risiken absichern können, nachdem es vor wenigen Jahren noch 300 Mrd. waren. Zusätzliche Konkurrenz kommt noch von anderer Seite: Immer mehr Erstversicherungen gehen dazu über, Teile ihre Risiken nicht an Rückversicherer weiterzureichen, sondern direkt als „Katastrophen-Bonds“ am Kapitalmarkt zu verbriefen, was sich gerade in Niedrigzinsphasen wie der jetzigen einer hohen Beliebtheit erfreut.
Für die Hannover Rück bietet der verschärfte Wettbewerbsdruck allerdings auch Chancen. Denn Experten zufolge steht dem Sektor eine tiefgreifende Konsolidierung bevor, bei der viele kleinere Anbieter mit naturgemäß ungünstigerer Kosten- und Kapitalstruktur aus dem Markt gedrängt werden dürften, wodurch den Branchenführern Marktanteilsgewinne und Übernahmegelegenheiten winken. Als „Brandbeschleuniger“ dürften dabei auch die anstehenden regulatorischen Verschärfungen durch die EU wirken (Stichwort „Solvency II“). Diese verlangen den Versicherern u.a. eine höhere Eigenkapitalausstattung ab und verschärfen damit den Konzentrationsprozess der Branche. Nebenbei machen sie auch generell das Rückversichern von Risiken (zur Entlastung der Kapitalstruktur) wieder attraktiver.
Ungeachtet dessen misst die Börse dem MDAX-Titel derzeit ein reines Schrumpfungsszenario bei. Unterstellt man für die Zukunft nur konstante Gewinne auf dem vom Vorstand erwarteten Niveau für 2013 (rd. 7 Euro je Aktie), so beliefe sich der faire Wert selbst bei einer hohen Renditeforderung von 10 % p.a. auf 70 Euro. Beim aktuellen Kurs von 59 Euro ist demnach ein dauerhafter Gewinnrückgang von rd. 15 % eskomptiert, was jedenfalls im klaren Widerspruch zur glänzenden Performance des Rückversicherers in den letzten Jahren steht. Ganz zu schweigen von der großzügigen Ausschüttungspolitik, die den Eignern auch dieses Jahr wieder eine Rendite von…
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