Jahrelang fuhr die Türkei einen geldpolitisch hochrisikanten Kurs und hielt den Leitzins deutlich unter der Inflationsrate. Das damit ermöglichte hohe Wirtschaftswachstum verschaffte dem Land in den letzten zehn Jahren eine Verdopplung der Pro-Kopf-Einkommen und sorgte für eine Stabilisierung der Regierung Erdogan.
Doch seit dem letzten Jahr funktioniert die Rechnung nicht mehr. Das Wachstum hat sich abschwächt, während die Inflation weiterhin hoch blieb. Hinzu kamen die landesweiten Proteste gegen den Regierungsstill und die Umkehrung der internationalen Geldflüsse infolge der angekündigten und inzwischen eingeleiteten Einschränkung der Anleihenkäufe durch die FED. Was folgte, war eine Abwertung der Lira, die in den letzten Wochen zunehmend dramatische Ausmaße erreichte und die Zentralbank zu Gegenmaßnahmen zwang. Denn durch den fallenden Außenwert der Währung verteuern sich nicht nur die Importe und treiben den Preisanstieg weiter nach oben, sondern es wächst auch die Auslandsverschuldung, was vor allem für den privaten Sektor zu einem großen Problem zu werden drohte.
Deswegen versuchte die türkische Zentralbank, die Lira durch große Interventionen am Devisenmarkt zu stabilisieren, bleibe dabei aber letztendlich erfolglos. Da ihre Devisenreserven begrenzt sind, musste sie früher oder später zu drastischeren Maßnahmen, sprich: kräftigen Zinserhöhungen, greifen. Trotz des Gezeters seitens der Erdogan-Regierung, die um ihre bisherige „Erfolgsformel“ fürchtet und die Abwertung deswegen der Manipulation einer „internationalen Zinsmafia“ zuschreibt, wurde der Leitzins am Dienstagabend von 4,5 auf 10 Prozent angehoben.
Ob noch weitere Schritte folgen, wird von der Währungsentwicklung abhängen. Die Lira hat zwar unmittelbar nach der Zinsentscheidung kräftig zugelegt, doch anschließend wieder in den Rückwärtsmodus geschaltet.
Für die türkische Wirtschaft, und zwar sowohl für die Konsumenten als auch für die Unternehmen, bedeutet der Zinsschritt einen harten Schnitt. Ohne das Aufputschmittel negativer Realzinsen und mit einer gestiegenen Belastung aus den Auslandskrediten scheint die Party für erste vorbei zu sein. Anleger sollten sich zurückhalten.
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